Für das Auswärtsspiel in Göttingen hatte man sich bei medi bayreuth vorgenommen, das Beste aus der immens schwierigen Situation - mit nur sechs Spielern und darunter weder ein Power Forward noch ein Center - zu machen und den Zuschauern in der Sparkassen Arena ein ordentliches Spiel abzuliefern.
Was die 2.123 Fans am Samstagabend in der Partie des 25. Spieltags in der easyCredit Basketball Bundesliga zwischen medi bayreuth und BG Göttingen geboten bekamen, war sogar noch viel besser. Was vorab sicherlich niemand für möglich gehalten hatte: Es wurde ein unglaublicher Krimi.
Das lag natürlich am Team von Head Coach Raoul Korner, dass den Göttingern die Stirn bot, aufopferungsvoll kämpfte und so den bis auf Harper Kamp in Bestbesetzung spielenden Playoff-Anwärter aus Niedersachsen an den Rand einer Niederlage manövrierte.
Das Team um Kapitän Bastian Doreth ließ alles auf dem Feld der Sparkassen Arena, stemmte sich mit ganzer Kraft gegen die körperliche Überlegenheit der Göttinger und für eine Sekunde schien die Sensation sogar perfekt, als Sacar Anim mit dem letzten Wurf der regulären Spielzeit den vermeintlichen Sieg für die HEROES OF TOMORROW erzielt hatte. Nach Instant Review entschieden die Unparteiischen jedoch auf zwei Punkte und nicht auf Dreier, weshalb das Spiel in die Verlängerung ging.
Auch hier hielten die mittlerweile nur noch zu fünft spielenden Bayreuther (Bastian Doreth war bereits ausgefoult) großartig dagegen. Das bessere Ende hatten jedoch die Göttinger, für die Topscorer Kamar Baldwin (30) Zehntelsekunden vor dem Ende der Overtime den 92:91 (81:81, 49:43) Endstand erzielte.
Das sagt Kevin Wohlrath (im heutigen Spiel Center bei medi bayreuth):
“Wir waren so knapp davor die Sensation zu schaffen. Wir waren nur zu sechst und hatten keinen Spieler, der über zwei Meter misst. Man konnte erkennen, dass jeder von uns sein Herz und seine Seele auf dem Feld gelassen hat. Mein Team hat einen großartigen Job gemacht und wenn ich jetzt auf die Anzeigetafel schaue, ist es zu erkennen, dass wir die BG Göttingen fast geschlagen hätten. Unter diesen Voraussetzungen so eine Leistung abzurufen, muss man erst einmal schaffen.”
Der Spielverlauf
Zu Beginn des Spiels sah alles nach dem erwarteten Spielverlauf aus. Die mit nur sechs Akteuren angetretenen HEROES OF TOMORROW fanden überhaupt nicht in die Partie und lagen schnell mit 0:11 im Rückstand. Eine Auszeit von Head Coach Raoul Korner brachte dann zumindest etwas Besserung und Sacar Anim war es vorbehalten, die ersten Bayreuther Punkte auf die Anzeigetafel zu bringen. In der Folge gelang sogar ein Bayreuther 11:0 Lauf, dennoch waren die Gastgeber in den ersten zehn Minuten überlegen, nutzten sowohl ihre größenmäßigen als auch ihre nominellen Vorteile konsequent aus und lagen zur ersten Viertelpause klar mit 31:17 vorne.
Im zweiten Abschnitt schien das Spiel komplett zugunsten der Göttinger zu entgleiten. Bis auf 42:20 setzte sich die BG ab (14.). Durch ihre Vorteile beim Rebound konnten sich die Gastgeber deutlich mehr Würfe als die Mannschaft von Kapitän Bastian Doreth erarbeiten und auch nutzen. Aber wieder bewiesen die HEROES OF TOMORROW ihren unfassbaren Charakter. Allen widrigen Umständen zum Trotz fanden sie immer besser in die Partie. In der Verteidigung agierte medi jetzt variabler und brachte die Gastgeber zunehmend aus dem Rhythmus. Während in der Offensive zu Beginn lediglich Sacar Anim, Cameron Wells und Janari Jõesaar punkteten, setzten sich nun auch Kevin Wohlrath und vor allem Philip Jalalpoor immer besser in Szene. Mit starken zehn Punkten hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass der Rückstand kurz vor Ende der zweiten zehn Minuten nur noch einstellig war. Bastian Doreth verkürzte mit der Schlusssirene nach einem Steal gar auf 43:49 und die tapferen sechs Bayreuther waren wieder voll im Spiel.
Nach der Pause machten die HEROES OF TOMORROW da weiter, wo sie vor der Halbzeit aufgehört hatten. Sie warfen weiter alles auf das Parkett, was auch nur irgendwie möglich war und konnten durch Sacar Anim sogar den 53:53 Ausgleich herstellen (23.). Jetzt besannen sich die Göttinger wieder ihrer Stärken und konterten ihrerseits mit einem 8:0 Lauf. Diesen stoppte Head Coach Raoul Korner mit einer Auszeit, nach der seine Mannschaft bärenstark zurück auf das Parkett kam und das Unmögliche möglich machte: Durch einen Dreier von Sacar Anim ging medi bayreuth sogar mit 63:61 in Führung! Diese konnte man zwar nicht bis zum Viertelende verteidigen, war aber beim 63:67 nach 30 Minuten weiter in Schlagdistanz.
Jeder hätte verstanden, wenn nun die Kräfte des medi Rumpfkaders geschwunden wären. Aber nicht heute und nicht mit diesem tapferen Sixpack. Man ließ die Göttinger nicht mehr enteilen, schaffte es sogar selbst immer wieder in Führung zu gehen und schnupperte immer mehr an der Sensation. Auch das fünfte Foul von Kapitän Bastian Doreth beim Stand von 76:77 (38.) konnte die HEROES OF TOMORROW nicht mehr stoppen. Zwar erhöhte die Mannschaft von Head Coach Roel Moors 1:28 Minuten vor dem Ende bis auf 81:77, doch konnte kurz darauf Cameron Wells wieder auf 79:81 verkürzen. Nach einem Stopp in der Verteidigung hatte medi den letzten Angriff und mit einem Dreier die Möglichkeit zur ganz großen Sensation. 1,5 Sekunden waren noch zu spielen. Einwurf Philip Jalalpoor zu Sacar Anim, der drückt an der Dreierlinie ab und trifft tatsächlich diesen schwierigen Shot. Allerdings stand er mit der großen Zehe auf der Linie und so reichte es “nur” zum Ausgleich 81:81 - Verlängerung.
Auch in dieser ließen die HEROES OF TOMORROW nicht nach. Die verbliebenen Fünf zeigten weiter ihren unglaublichen Charakter und verlangten den Gastgebern alles ab. Keine Mannschaft konnte sich jetzt den entscheidenden Vorteil erspielen. 55 Sekunden vor Ende der Verlängerung traf Cameron Wells einen schwierigen Halbdistanzwurf zum 88:88 Ausgleich. Im Gegenzug konnte sich Jeff Roberson erfolgreich unter dem Korb zum 90:88 durchsetzen. Wiederum erhielt Cameron Wells den Ball. Aus Mangel an Anspielstationen nahm er sich aus 6,75 Meter ein Herz und versenkte das orangene Leder zur 91:90 Führung im Göttinger Korb. Diesmal hatten allerdings die Niedersachsen den letzten Angriff. Ihr bester Spieler an diesem denkwürdigen Abend, Kamar Baldwin, übernahm die Verantwortung und schloss erfolgreich ab - 92:91. Der letzte Verzweiflungsdreier von Janari Jõesaar verfehlte das Ziel, so dass sich die tapferen medi Helden hauchdünn geschlagen geben mussten.
Das sagt Raoul Korner (Head Coach medi bayreuth):
„Es war für Göttingen sicherlich ein härter erkämpfter Sieg als gedacht. Wir konnten mit der Situation am Anfang überhaupt nicht umgehen, weil wir ein Team sind, das sehr von der Struktur lebt, vom Inside-out-Spiel. Damit ist es natürlich vorbei, wenn kein Spieler mehr an die zwei Meter heranreicht. Wir haben ein bisschen gebraucht, um diese Anfangsnervosität abzulegen und einen Rhythmus zu finden. Wir mussten uns praktisch neu erfinden. Was wir dann gemacht haben, ist symptomatisch für diese Saison. Wir haben gekämpft und alles auf dem Parkett gelassen. Letztendlich haben uns vielleicht ein oder zwei Zentimeter für eine riesengroße Sensation gefehlt. Mit tut es leid für meine Burschen, die 45 Minuten gerackert haben und jetzt wieder mit leeren Händen dastehen.“
BG Göttingen vs. medi bayreuth n.V. 92:91 (31:17 - 18:26 - 18:20 - 14:18 - 11:10)
BG Göttingen: TOOLSON 10, Frey 11, ROBERSON 15 (12 Rebounds), Vargas 5, Hujic 0, Wüllner, HARTWICH 10, Mönninghoff 3, BROWN 7, Grimes 1, Giotis, BALDWIN 30 (4 Assists).
medi bayreuth: ANIM 23, WOHLRATH 15, Jalalpoor 12, DORETH 4, JÕESAAR 15 (9 Rebounds), WELLS 22 (5 Assists).
Das komplette Scouting gibt es hier!
Weiter geht der Auswärtstrip!
Nach Weißenfels und Göttingen steht nun Bonn auf dem Reiseplan der HEROES OF TOMORROW. Dorthin wird die Mannschaft von Head Coach Raoul Korner, in welcher Besetzung auch immer, am Donnerstag aufbrechen, um am Freitag gegen die Telekom Baskets Bonn am 26. Spieltag anzutreten. Jump im Telekom Dome ist um 19:00 Uhr.